Im Bereich der Mehrwertsteuer (MWST) hat das Parlament zahlreiche Reformaufträge an den Bundesrat überwiesen. Darüber hinaus hat der Bundesrat selber in einigen Bereichen Reformbedarf gesehen. Diese verschiedenen Teiländerungen des Mehrwertsteuergesetzes hat der Bundesrat in seiner Botschaft zur Änderung des Mehrwertsteuergesetzes gebündelt, die er am 24. September 2021 zuhanden des Parlaments verabschiedet hat.
Das Wichtigste in Kürze
Reformbedarf
Das Parlament hat in verschiedenen Vorstössen folgende Reformen gefordert: Online-Versandhandelsplattformen sollen als Leistungserbringerinnen gelten und somit mehrwertsteuerpflichtig werden. Ausländische Tour Operators sollen von der Steuerpflicht befreit werden, wenn sie Reisen in die Schweiz organisieren. Produkte der Monatshygiene sollen dem reduzierten Steuersatz unterstellt werden. Von Gemeinwesen ausgerichtete Subventionen sollen nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, wenn sie zur Erfüllung grundlegender gesetzlicher Aufgaben ausgerichtet werden. Für die aktive Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen sowie für Leistungen der koordinierten Versorgung im Zusammenhang mit Heilbehandlungen sollen neue Steuerausnahmen eingeführt werden.
Von sich aus hat der Bundesrat zudem folgende Neuerungen in die Botschaft eingebracht:
KMU sollen künftig die Mehrwertsteuer freiwillig jährlich abrechnen können. Die Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV soll zudem ausländische Unternehmen von der Pflicht befreien können, eine Steuervertretung in der Schweiz zu bestimmen, wenn die Erfüllung der Verfahrenspflichten auf andere Weise sichergestellt ist.
Die ESTV soll des Weiteren von Mitgliedern der geschäftsführenden Organe von Unternehmen Sicherheiten für Steuern, Zinsen und Kosten ihres Unternehmens verlangen können, wenn sie mehrere Unternehmen geführt haben, die innert kurzer Zeit in Konkurs gefallen sind. Dies ist eine Massnahme gegen sogenannte Serienkonkurse.
Schliesslich gilt neu eine generelle Bezugsteuerpflicht für die Übertragung von Emissionsrechten, Zertifikaten und Bescheinigungen für Emissionsverminderungen, Herkunftsnachweisen für Elektrizität und ähnlichen Rechten.
Die Plattformbesteuerung als wichtigstes Reformelement
Von Juni bis Oktober 2020 hat das Eidgenössische Finanzdepartement EFD eine Vernehmlassung zur Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes und zur Teilrevision der Mehrwertsteuerverordnung durchgeführt. 24 Kantone, fünf Parteien und 63 Organisationen haben sich geäussert. Die meisten Massnahmen wurden dabei vollumfänglich oder überwiegend begrüsst.
Das wichtigste Element der Botschaft zur Änderung des Mehrwertsteuergesetzes ist die Einführung der Plattformbesteuerung. Seit der letzten MWST-Revision (Inkrafttreten 2019) werden ausländische Versandhandelsunternehmen, die Waren in die Schweiz liefern, mehrwertsteuerpflichtig, wenn sie mit Kleinsendungen (MWST-Betrag unter fünf Franken) mindestens 100 000 Franken Umsatz erzielen. Es hat sich gezeigt, dass die Wirkung dieser Massnahme begrenzt ist. Das liegt unter anderem daran, dass viele kleinere Versandhandelsunternehmen die relevante Umsatzlimite nicht erreichen. Neu sollen die Versandhandelsplattformen alle Lieferungen von Waren deklarieren und versteuern, die über ihre Plattform abgewickelt werden und in die Schweiz gelangen. Zur Durchsetzung der neuen Regeln soll die ESTV administrative Massnahmen verfügen können, wenn sich Versandhandelsplattformen oder -unternehmen zu Unrecht nicht registriert haben oder sie ihren Abrechnungs- und Zahlungspflichten nicht nachkommen. Sie kann ein Einfuhrverbot für Lieferungen des betreffenden Unternehmens und als letzte Massnahme die Vernichtung der Gegenstände verfügen. Zudem kann sie zum Schutz der Kundinnen und Kunden die Namen der Unternehmen veröffentlichen, gegen die solche Massnahmen zur Anwendung kommen.
Des Weiteren soll eine Informationspflicht für alle Internet-Plattformen eingeführt werden. Die ESTV kann diese künftig auffordern, ihr mitzuteilen, wer über die Plattform Leistungen in einem Umfang anbietet, der die Steuerpflicht bei der Mehrwertsteuer auslösen könnte. Dabei geht es vor allem um Dienstleistungen im Bereich der Beförderung (Taxifahrten, Kurierfahrten) und der Beherbergung (Vermietung von Unterkünften), für welche die Plattformen nicht als Leistungserbringerinnen gelten.
Finanzielle und personelle Auswirkungen
Mit Ausnahme der Plattformbesteuerung haben alle Massnahmen nur geringe Auswirkungen auf die Einnahmen. Die Reform führt zu wiederkehrenden Mehreinnahmen. Diese werden pro Jahr grob auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag geschätzt. Dabei nicht berücksichtigt sind die nicht abschätzbaren Mindereinnahmen aufgrund der Änderung bei den Subventionen. Bei der ESTV ist mit einem personellen Mehrbedarf von acht Vollzeitstellen zu rechnen.
Mit der Reform adressierte Parlamentsaufträge
- Mehrwertsteuerpflicht von Versandhandelsplattformen für die über ihre Plattform abgewickelten Lieferungen von Gegenständen (Motion Vonlanthen 18.3540).
- Von Gemeinwesen als Subvention bezeichnete Zahlung gilt auch mehrwertsteuerrechtlich als Subvention (Motion WAK-S 16.3431).
- Reduzierter Steuersatz von 2,5 Prozent für Produkte der Monatshygiene (Motion Maire 18.4205).
- Neue Steuerausnahme für die aktive Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen (Motion Page 17.3657).
- Neue Steuerausnahme für die koordinierte Versorgung im Zusammenhang mit Heilbehandlungen (Managed Care-Leistungen; Motion Humbel 19.3892).
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Letzte Änderung 21.07.2023