Das Glossar Steuerstrafrecht listet die wichtigsten Wörtern mit beigefügten Bedeutungserklärungen.
Abgabebetrug ist das arglistige Vorenthalten von Abgaben oder Erschleichen einer Leistung und stellt in diesem Sinne eine qualifizierte Hinterziehung der Mehrwertsteuer (MWST), der Verrechnungssteuer oder der Stempelabgaben dar.
Verdächtigt die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) – oder hinsichtlich der Einfuhrsteuer (MWST bei der Einfuhr) das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) – Steuerpflichtige des Abgabebetruges, eröffnet sie ein Strafverfahren. Für diese Verfahren gilt das Verwaltungsstrafrecht (VStrR). Strafverfahren wegen Abgabebetruges führen die ESTV und / oder des BAZG in eigener Kompetenz.
Die Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartements kann der ESTV aufgrund dieser Bestimmung bei Verdacht auf schwere Steuerwiderhandlungen die Ermächtigung erteilen, eine Strafuntersuchung durchzuführen. Als schwere Steuerwiderhandlungen gelten fortgesetzte Hinterziehung grosser Steuerbeträge, Steuerbetrug oder Veruntreuung von Quellensteuern. Die Verfahren werden durch die ASU geführt.
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Abteilung Strafsachen und Untersuchungen. Die ASU ist als Teil der Hauptabteilung direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer und Stempelabgeben (DVS) der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) zuständig für die Strafuntersuchungen nach
Artikel 190 ff. DBG sowie für Strafverfahren betreffend das Verrechnungssteuergesetz und das Bundesgesetz über die Stempelabgaben. Sie führt diese Verfahren in Anwendung des VStrR.
Im geltenden Recht über die direkten Steuern bestehen im Veranlagungsverfahren Auskunftspflichten von Vertragspartnern der steuerpflichtigen Person (Gläubiger, Schuldner). Davon sind aber Bankangestellte ausgeschlossen. Artikel 47 des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen (BankG) stellt die Preisgabe von Geheimnissen durch Bankangestellte an Dritte unter Strafe. Weil die Regeln des Veranlagungsverfahrens auch für Strafverfahren wegen Hinterziehung der direkten Steuern gelten, können die zuständigen kantonalen Steuerverwaltungen bei Banken keine Informationen einholen.
Davon ausgenommen ist die Preisgabe von geheimen Informationen gegenüber einer Behörde aufgrund gesetzlicher Zeugnis- oder Auskunftspflichten (Art. 47 Abs. 5 BankG). Solche Zeugnis- und Auskunftspflichten bestehen namentlich in der Strafprozessordnung (StPO) und im VStrR. Die ESTV und das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) können deshalb in Strafverfahren betreffend die indirekten Steuern sowie in Verfahren nach Artikel 190 DBG Informationen von Banken einfordern.
Der Umfang der in der Schweiz steuerpflichtigen, aber nicht deklarierten Einkünfte und Vermögen ist nicht bekannt. Dies liegt in der Natur unentdeckt gebliebener Delikte. Die nicht zurückgeforderte Verrechnungssteuer ist kein aussagekräftiges Indiz, da in vielen Fällen mangels Rückerstattungsrecht durch Personen mit Sitz / Wohnsitz im Ausland oder aufgrund des massgebenden Doppelbesteuerungsabkommens keine oder nur ein Teil der Verrechnungssteuer zurückgefordert werden kann. Die Anzahl der (straflosen) Selbstanzeigen ist ebenfalls kein zuverlässiges Indiz, da damit nur ein Teil der Steuerdelikte offengelegt wird.
Die Umsetzung der 2012 revidierten Richtlinien der Financial Action Task Force (FATF/GAFI) der OECD machte es unter anderem notwendig, dass gewisse Straftaten betreffend die direkten Steuern als Vortaten der Geldwäscherei gelten. Der Schweizer Gesetzgeber hat keinen separaten Tatbestand der «Steuervortat» geschafften, vielmehr gilt im Bereich der direkten Steuern der Steuerbetrug als Vortat der Geldwäscherei, dies aber nur dann, wenn die im Zusammenhang mit dieser Tat hinterzogenen Steuern pro Steuerperiode mehr als 300 000 Franken betragen. Bei den indirekten Steuern gilt der qualifizierte Abgabebetrug als Vortat der Geldwäscherei, soweit jemand sich dadurch in besonders erheblichem Umfang einen unrechtmässigen Vorteil verschafft oder das Gemeinwesen am Vermögen oder an anderen Rechten besonders erheblich schädigt.
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Als Inventardelikte bezeichnen die Steuergesetze namentlich die Verheimlichung und die vorsätzliche Hinterziehung, d.h. das Beiseiteschaffen, von Erbschaftsgütern. Bei den direkten Steuern ist strafbar, wer Nachlasswerte, zu deren Bekanntgabe er im Inventarverfahren verpflichtet ist, verheimlicht oder beiseite schafft in der Absicht, sie der Inventaraufnahme zu entziehen.
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Die Kantone sind für die Anwendung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) zuständig, die ESTV nimmt diesbezüglich die Aufsicht wahr. Für die Kontrolle und Durchsetzung der indirekten Steuern ist der Bund alleine zuständig, dies wird durch die ESTV und – für die Einfuhrsteuer (MWST) durch das BAZG – wahrgenommen. Damit sind die Zuständigkeiten zur Durchführung von Steuerstrafverfahren je nach Steuerart und Tatbestand unterschiedlich. Hinsichtlich der Mehrwertsteuer, der Verrechnungssteuer und der Stempelabgaben liegen die Kompetenzen bei der ESTV. Bei den direkten Steuern führen die kantonalen Steuerbehörden die Hinterziehungsverfahren (Steuerhinterziehung). Bei Verdacht auf Steuerbetrug führen zusätzlich die kantonalen Strafbehörden ein Strafverfahren. „Sonderfälle“ sind die Untersuchungen nach Artikel 190 DBG der ASU.
Schwere Steuerwiderhandlungen sind kein Straftatbestand. Der Begriff wird einzig als Voraussetzung für eine besondere Steueruntersuchung nach Artikel 190 DBG in dessen Absatz 2 genannt. Als schwere Steuerwiderhandlungen gelten demnach insbesondere die fortgesetzte Hinterziehung grosser Steuerbeträge und die Steuervergehen (Steuerbetrug und Veruntreuung von Quellensteuern).
Seit dem 1. Januar 2010 können sich Steuerdelinquenten (natürliche und juristische Personen) einmal im Leben selbst anzeigen, ohne für die Steuerwiderhandlung bestraft zu werden. Diese Möglichkeit gilt für die direkte Bundessteuer und die Einkommens- und Vermögenssteuern der Kantone und Gemeinden. Wenn die Voraussetzungen einer straflosen Selbstanzeige gegeben sind, werden lediglich die Nachsteuern erhoben. Bei den indirekten Steuern ist eine straflose Selbstanzeige ebenfalls möglich.
Steuerbetrug begeht, wer zwecks Begehung einer Steuerhinterziehung falsche oder unwahre Urkunden zur Täuschung verwendet. Dies wird mit Freiheitsstrafe bis 3 Jahren oder Geldstrafe bedroht. Steuerbetrug wird von den kantonalen Strafbehörden verfolgt und zusätzlich zur Steuerhinterziehung bestraft.
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Das Steuergeheimnis ist ein qualifiziertes Amtsgeheimnis, das alle mit dem Vollzug der Steuergesetze betrauten Personen zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Verletzung des Steuergeheimnisses ist strafbar. Die Auskunft an andere Behörden, insbesondere Strafbehörden, ist unter gewissen Voraussetzungen möglich.
Steuerhinterziehung begeht, wer als steuerpflichtige Person bewirkt, dass eine Veranlagung zu Unrecht unterbleibt oder dass eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist. Steuerhinterziehung begeht auch, wer als zum Steuerabzug an der Quelle verpflichtete Person einen Steuerabzug nicht oder nicht vollständig vornimmt, oder wer eine unrechtmässige Rückerstattung oder einen ungerechtfertigten Erlass erwirkt. Es sind sowohl die vorsätzliche als auch die fahrlässige Begehung strafbar. Steuerhinterziehung ist grundsätzlich ausschliesslich mit Busse bedroht, als Ausnahme gilt die qualifizierte Hinterziehung der Mehrwertsteuer, welche zusätzlich mit Freiheitsstrafe bedroht ist. Die Busse für die Hinterziehung direkter Steuern beträgt zwischen einem Drittel und dem Dreifachen der hinterzogenen Steuer, für die Hinterziehung der Verrechnungssteuer oder von Stempelabgaben bis zu 30 000 Franken, oder, wenn dies einen höheren Betrag ergibt, bis zum Dreifachen der hinterzogenen Steuer. Für die Hinterziehung der Mehrwertsteuer beträgt der obere Strafrahmen je nach Tat 200 000 bis 800 000 Franken. Verfahren: Kompetenzaufteilung Kantone-Bund.
Das Steuerstrafrecht umfasst einerseits die Straftatbestände, welche Widerhandlungen gegen Steuergesetze zum Inhalt haben. Andererseits regelt es auch das Verfahren und die Zuständigkeit zur Verfolgung solcher Steuerstraftaten sowie die Untersuchungsmittel. Zum Steuerstrafrecht zählen namentlich die Strafbestimmungen im Mehrwertsteuergesetz, im Verrechnungssteuergesetz, im Bundesgesetz über die Stempelabgaben und in den Gesetzen von Bund, Kantonen und Gemeinden betreffend die direkten Steuern auf Einkommen und Vermögen. Das Steuerstrafrecht ist Teil des sogenannten Nebenstrafrechts. Zum Nebenstrafrecht gehören Strafbestimmungen, welche nicht im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt sind. Für das Steuerstrafrecht gelten die Bestimmungen des allgemeinen Teils des StGB.
Das Strafrecht unterscheidet je nach Schwere der Tat zwischen Übertretung, Vergehen und Verbrechen. Die Schwere der Tat bestimmt das Strafmass: Übertretungen sind mit Busse, Vergehen mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe und Verbrechen mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht. Als Übertretungen gelten die Verletzung von Verfahrenspflichten sowie die versuchte und die vollendete Steuerhinterziehung. Der Abgabe- und der Steuerbetrug, die Veruntreuung von Quellensteuern sowie die qualifizierte Hinterziehung der Mehrwertsteuer sind Vergehen.
Besteht ein Anfangsverdacht, klärt die Steuerbehörde ab, ob ausreichende Beweismittel oder Indizien gegeben sind, welche die Eröffnung eines Strafverfahrens rechtfertigen. Die Eröffnung eines Strafverfahrens setzt damit einen hinreichenden Tatverdacht voraus. Ein vager Verdacht oder eine Vermutung, eine Straftat könnte begangen worden sein, genügt nicht. Erst nach der Eröffnung eines Strafverfahrens können die dafür vorgesehenen Untersuchungsmassnahmen ergriffen werden.
Das VStrR enthält Verfahrensbestimmungen und Straftatbestände, welche grundsätzlich für alle Widerhandlungen gegen Verwaltungsgesetze des Bundes zur Anwendung kommen. Es ist auf die Besonderheiten von Verwaltungsgesetzen zugeschnitten. Das VStrR enthält als Untersuchungsmassnahmen die Einvernahme von beschuldigten Personen, Auskunftspersonen und Zeugen sowie die Edition von Akten bei Dritten. Im Rahmen eines solchen Strafverfahrens können die ESTV respektive das BAZG auch bei Banken Auskünfte einholen und Unterlagen einfordern. Zudem regelt das VStrR den Einsatz von Zwangsmassnahmen.
In Strafverfahren der ESTV und des BAZG können die Beschuldigten an Beweisaufnahmen (bspw. Einvernahmen von Zeugen oder Auskunftspersonen) teilnehmen, Beweisanträge stellen und Einsicht in die Verfahrensakten nehmen.
Zu den Zwangsmassnahmen, welche die ESTV in Steuerstrafverfahren anwenden kann, gehören die Hausdurchsuchung, die Durchsuchung von Papieren, die Beschlagnahme von Beweisen und Vermögenswerten. Beim Einsatz von Zwangsmassnahmen hat das Verhältnismässigkeitsprinzip eine besonders grosse Bedeutung.
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Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV
Hauptabteilung DVS
Abteilung Strafsachen und Untersuchungen
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Letzte Änderung 28.10.2024