Steuerlicher Vorteil des Kapitalbezugs gegenüber dem Rentenbezug eines Vorsorgeguthabens aus der 2. Säule im geltenden Recht – Steuerbelastungsvergleich zur Ip. 25.3376 Walti

Die Interpellation Walti (25.3376) ersucht den Bundesrat, die steuerliche Belastung auf dem Kapitalbezug der Leistungen aus der beruflichen Vorsorge (2. Säule) im Vergleich zum Rentenbezug systematisch zu analysieren und anhand von Fallbeispielen mit einem Guthaben aus der 2. Säule von 500'000, 800'000 und 1'500'000 Franken jeweils für die Kantonshauptorte darzustellen. Die Ergebnisse der Analyse und die darauf aufbauenden Steuerbelastungsvergleiche sind nachfolgend dargestellt.

Ausgangspunkt der Analyse ist eine Steuerpolitik, die persönliche Entscheidungen grundsätzlich nicht in die eine oder andere Richtung verzerren und daher den Bezug eines Vorsorgeguthabens aus der 2. Säule in Form einer Rente oder als einmalige Kapitalauszahlung möglichst gleich behandeln soll.

Referenzszenario für die Gleichbehandlung des Renten- und Kapitalbezugs

In der Tabelle 1 (XLSX, 15 kB, 20.05.2025) werden die beiden Szenarien, Rentenbezug und Kapitalbezug, einander – vorerst noch ohne Berücksichtigung der Steuern – gegenübergestellt. Beispielhaft sei die Ausgangslage anhand einer alleinstehenden Person geschildert, die unmittelbar vor der Pensionierung in der freien Vorsorge (Säule 3b) über ein Vermögen von 1 Million Franken verfügt, ab dem Alter 65 eine AHV-Maximalrente von 29'400 Franken (Stand 2024) bezieht und die Wahl hat, ob sie ihr Pensionskassenguthaben aus der 2. Säule als Rente oder in Kapitalform beziehen will.

Um Gleiches mit Gleichem zu vergleichen, muss der Vergleich über eine repräsentative Zeitdauer erfolgen. Dafür bietet sich die nach der Pensionierung durchschnittlich zu erwartende Restlebensdauer an. Für die Vergleichsmodellrechnung wird von einer Restlebenserwartung von 22 Jahren ab dem Alter 65 ausgegangen, basierend auf dem gerundeten Durchschnitt gemäss dem Bundesamt für Statistik für 2023 von 22,8 Jahren für Frauen und 20,3 Jahren für Männer. Über diese 22 Jahre ergibt sich im Falle des Rentenbezugs bei einer impliziten Verzinsung des Guthabens aus der 2. Säule von 1% ein Umwandlungssatz von 5,086%, so dass die Person bei einem Guthaben aus der 2. Säule im Pensionierungszeitpunkt von 1,5 Millionen Franken eine Jahresrente von 76'296 Franken aus der 2. Säule erhält.

Im Szenario Rentenbezug erzielt die Person im ersten Jahr im Alter von 65 aus der AHV-Rente von 29'400 Franken, der Rente aus der 2. Säule von 76'296 Franken und aus dem Vermögen in der Säule 3b von 1 Million Franken bei einer unterstellten Vermögensrendite von 1% einen Vermögensertrag von 10'000 Franken. Entsprechend belaufen sich ihr Nettoeinkommen und, da die Steuern hier ausgeklammert sind, auch ihr verfügbares Einkommen auf 115'696 Franken. Es sei unterstellt, dass das gesamte verfügbare Einkommen im gleichen Jahr konsumiert wird, so dass keine zusätzlichen Ersparnisse gebildet werden. Entsprechend bleibt das Vermögen am Ende des Jahres bei 1 Million Franken. Dieses Muster zieht sich nun über die gesamte betrachtete Zeitdauer durch, so dass am Ende des Beobachtungszeitraums mit dem abgeschlossenen 87. Altersjahr das Vermögen immer noch 1 Million Franken beträgt.

Im Szenario Kapitalbezug erhält die Person statt der Rente aus der 2. Säule im ersten Jahr im Alter von 65 das Guthaben aus der 2. Säule in vollem Umfang von 1,5 Millionen Franken ausbezahlt und zahlt dieses in die Säule 3b ein, so dass das Vermögen in der Säule 3b auf 2,5 Millionen ansteigt. Bei einer unterstellten Vermögensrendite von 1% resultiert daher ein höheres Vermögenseinkommen von 25'000 Franken statt der 10'000 Franken im Szenario Rentenbezug. Das verfügbare Einkommen setzt sich im ersten Jahr aus dem Kapitalbezug von 1,5 Millionen Franken, der AHV-Rente von 29'400 Franken und dem Vermögensertrag von 25'000 Franken zusammen und summiert sich auf 1'554'400 Franken. Um Gleiches mit Gleichem zu vergleichen, sei unterstellt, dass die Person dem gleichen Konsumpfad wie im Szenario Rentenbezug folgt, also ebenfalls jedes Jahr 115'696 Franken für den Konsum ausgibt. Nach Abzug dieser Konsumausgaben vom verfügbaren Einkommen ergibt sich im Alter 65 eine zusätzliche Ersparnis von 1'438'704 Franken, so dass sich das Vermögen am Jahresende auf 2'438'704 Franken beläuft. In den Folgejahren bleibt dann das verfügbare Einkommen hinter dem Konsum zurück. Dementsprechend werden in jedem Jahr Ersparnisse aufgelöst. In der Folge nehmen das Vermögen und das Vermögenseinkommen jedes Jahr ab. Nach Ablauf der 22 Jahre ist das Vermögen mit dem abgeschlossenem 87. Altersjahr mit 1 Million Franken exakt gleich hoch wie im Fall des Rentenbezugs.

Steuerliche Ungleichbehandlung des Renten- und Kapitalbezugs im geltenden Recht

Die Tabelle 2 (XLSX, 18 kB, 20.05.2025) vergleicht für eine Person in den gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen, die in der Stadt Zürich steuerpflichtig ist, ebenfalls den Renten- mit dem Kapitalbezug, nun aber unter Einbezug der Steuern. Berücksichtigt sind die Einkommenssteuern von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie die Vermögenssteuer von Kanton und Gemeinde für das Jahr 2024. Dabei wird unterstellt, dass die Steuersätze über die ganzen 22 Jahre des Betrachtungshorizontes konstant bleiben.

Im Szenario Rentenbezug sinkt nun aufgrund der Steuerbelastung das verfügbare Einkommen unter das Nettoeinkommen und beläuft sich nur noch auf 94'191 Franken. Da wiederum unterstellt wird, dass in jedem Jahr das gesamte verfügbare Einkommen für Konsumausgaben verwendet wird, resultieren ein jährlich konstanter Konsumpfad von 94'191 Franken und ein jährlich konstanter Pfad der Ersparnisbildung von null Franken. Entsprechend beträgt das Vermögen nach Ablauf der 22 Jahre mit dem abgeschlossenem 87. Altersjahr 1 Million Franken.

Im Szenario Kapitalbezug reduzieren im Vergleich zur Situation ohne Steuern die Besteuerung des Kapitalbezugs, die Einkommenssteuern auf dem Nettoeinkommen und die Vermögenssteuer das verfügbare Einkommen im ersten Jahr von 1'554'400 Franken auf 1'341'035 Franken. Nach Abzug der Konsumausgaben, die sich wie im Szenario Rentenbezug wiederum auf 94'191 Franken belaufen, resultiert im Alter 65 eine zusätzliche Ersparnis von 1'246'844 Franken, so dass das Vermögen am Jahresende 2'246’844 Franken beträgt. In den Folgejahren bleibt dann das verfügbare Einkommen hinter dem Konsum zurück. Entsprechend werden in jedem Jahr Ersparnisse aufgelöst. In der Folge nehmen das Vermögen und das Vermögenseinkommen jedes Jahr ab. Nach Ablauf der 22 Jahre beläuft sich das Vermögen mit dem abgeschlossenem 87. Altersjahr auf 1'068’363 Franken.

Die Differenz zwischen dem Szenario Kapitalbezug und dem Szenario Rentenbezug beträgt in dieser Konstellation also 68’363 Franken. Die Besteuerung ist daher in diesem Fallbeispiel nicht neutral und erzeugt einen Vorteil des reinen Kapitalbezugs gegenüber dem reinen Rentenbezug von 68'363 Franken.

Belastungsvergleich für alle Kantonshauptorte

Nach der gleichen Methodik vergleicht die Tabelle 3 (XLSX, 36 kB, 20.05.2025) für alle Kantonshauptorte den Vorteil (+) bzw. Nachteil (-) des reinen Kapitalbezugs (100% Kapitalbezug) und des gemischten Bezugs (50% Kapital- und 50% Rentenbezug) gegenüber dem reinen Rentenbezug (100% Rentenbezug) nach Ablauf der erwarteten Lebensdauer, d.h. nach Ablauf des 87. Altersjahrs. Ausgewiesen werden die Ergebnisse:

  • für Alleinstehende und für verheiratete steuerpflichtige Personen; dabei ist bei den verheirateten steuerpflichtigen Personen unterstellt, dass nur ein Partner über ein Guthaben aus der 2. Säule verfügt;
  • für Guthaben aus der 2. Säule im Zeitpunkt der Pensionierung im Alter von 65 Jahren von 500'000, 800'000 und 1'500'000 Franken, einem Vermögen in der freien Vorsorge (Säule 3b) unmittelbar vor Pensionierung von 0 bzw. 1'000'000 Franken; zusätzlich werden auch die Ergebnisse in der Konstellation mit einem Guthaben aus der 2. Säule und einem Vermögen in der Säule 3b unmittelbar vor Pensionierung von je 10 Millionen Franken ausgewiesen;
  • für die implizite Verzinsung des Guthabens aus der 2. Säule im Rentenbezugsfall in Höhe von 1%, was einem Umwandlungssatz von 5,086% entspricht, und von 2%, was einem Umwandlungssatz von 5,663% entspricht; damit Gleiches mit Gleichem verglichen wird, ist jeweils unterstellt, dass auch die Vermögensrendite in der Säule 3b 1% bzw. 2% beträgt.

Unterstellt ist weiter:

  • Alle steuerpflichtigen Personen erhalten die AHV-Maximalrente für Alleinstehende bzw. für Verheiratete.
  • Die Steuerberechnung basiert auf dem geltenden Recht im Steuerjahr 2024 ohne Kirchensteuer. Berücksichtigt sind die Versicherungsabzüge und die Sozialabzüge nach Bundesrecht bzw. kantonalem Recht, aber keine kinderbezogenen Abzüge und Tarife.

Es zeigen sich die folgenden Ergebnisse:

  • In den untersuchten Konstellationen ist in der Regel der reine Kapitalbezug die vorteilhafteste Lösung. Der Vorteil nimmt mit der Höhe des Guthabens aus der 2. Säule und der Höhe des übrigen Vermögens- bzw. Vermögenseinkommens zu.
  • Dieses Muster unterscheidet sich zwischen Alleinstehenden und Verheirateten oder nach der Verzinsung nicht wesentlich.
  • In wenigen Fällen mit Guthaben aus der 2. Säule zwischen 500'000 und 1’500'000 Franken ist der gemischte Bezug (50% Rentenbezug, 50% Kapitalbezug) vorteilhafter als der reine Kapitalbezug.
  • Einzig in Genf schneidet bei Verheirateten der Rentenbezug in den Konstellationen Guthaben aus der 2. Säule im Zeitpunkt der Pensionierung im Alter von 65 Jahren von 500'000 Franken und Vermögen in der freien Vorsorge (Säule 3b) unmittelbar vor Pensionierung von 0 Franken unabhängig von der Verzinsung besser ab als der reine Kapitalbezug oder der gemischte Bezug (50% Rentenbezug, 50% Kapitalbezug).

In sehr gut situierten Verhältnissen bestätigt sich die bereits von der isolierten Analyse der direkten Bundessteuer bekannte Tendenz, dass in der Konstellation hohes Guthaben aus der 2. Säule und / oder hohes übriges Einkommen ein ausgeprägter Steuervorteil des reinen Kapitalbezugs auftritt. Der vom Bundesrat in der Vernehmlassungsvorlage vom 29. Januar 2025 vorgeschlagene neue progressive Stufentarif würde diese steuerliche Begünstigung des Kapitalbezugs gegenüber dem Rentenbezug gezielt reduzieren. Einzahlungen in die Säulen 2 und 3a würden aber weiterhin durch die nachgelagerte Besteuerung privilegiert; das Alterssparen würde folglich während des Erwerbslebens unabhängig vom späteren Entscheid betreffend Kapital- oder Rentenbezug weiterhin gefördert.

Letzte Änderung 20.05.2025

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