Das vorliegende Arbeitspapier gibt Auskunft über die verschiedenen Kryptowährungen und deren Besteuerung auf Bundesebene. Kryptowährungen unterliegen auf Bundesebene der direkten Bundessteuer, der Verrechnungssteuer und den Stempelabgaben.
Kryptowährungen und Initial Coin/Token Offerings (ICOs/ITOs) als Gegenstand der Vermögens-, Einkommens- und Gewinnsteuer, der Verrechnungssteuer und der Stempelabgaben
Das Aufkommen und die Verbreitung von digitalen Zahlungsmitteln in der Form von Kryptowährungen – wie beispielsweise Bitcoin und zahlreiche Emissionen von Coins/Token im Rahmen von ICOs/ITOs/TGEs1 – haben in jüngster Vergangenheit diverse Fragen zur steuerlichen Behandlung dieser Wertrechte aufgeworfen. Das vorliegende, aktualisierte Arbeitspapier legt die bisher von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) auf der Grundlage der bestehenden steuerrechtlichen Bestimmungen entwickelte Praxis dar. In Anlehnung an die FINMA-Wegleitung verwendet das aktualisierte Arbeitspapier neu die deutschen Begriffe Zahlungs-Token (vorher Payment-Token), Anlage-Token (vorher Asset-Token) und Nutzungs-Token (vorher Utility-Token). Zudem werden die Eigenkapital- und Partizipationstoken im Kapital 3.3 neu unter dem Begriff der Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage zusammengefasst, da Funktionsweise und steuerliche Behandlung identisch sind. Das überarbeitete Arbeitspapier, welches die aktuelle Steuerpraxis basierend auf den der ESTV bis Ende Dezember 2020 unterbreiteten Sachverhalten und Transaktionen wiedergibt, enthält neu auch Ausführungen zur steuerlichen Behandlung von Anlage-Token mit Beteiligungsrechten. Ausserdem äussert sich das aktualisierte Arbeitspapier erstmals zur Frage, ob Anlagetoken mit vertraglicher Grundlage als Mitarbeiterbeteiligungen im Sinne von Artikel 17a DBG qualifizieren. Die Praxisfestlegungen der ESTV und der kantonalen Steuerbehörden werden sich weiterentwickeln und neuen Konstellationen im Bereich der ICOs/ITOs Rechnung tragen müssen. Falls erforderlich, erfolgt auch eine entsprechende Mitteilung der ESTV. Die in diesem Arbeitspapier verwendete Kategorisierung der Coins/Token orientiert sich an den drei Basiskategorien der Wegleitung der FINMA für Unterstellungsfragen betreffend Initial Coin Offerings (ICO) vom 16. Februar 2018. In der Praxis können auch Mischformen von Coins/Token (sogenannte hybride Token) auftreten.
Die Ausführungen im vorliegenden Arbeitspapier gliedern sich in zwei Teile. In einem ersten Teil wird die steuerliche Behandlung der Kryptowährungen in der Form von reinen digitalen Zahlungsmitteln (nachfolgend Zahlungs-Token) dargelegt, die von Investoren im Privatvermögen gehalten werden. Der zweite Teil befasst sich einerseits mit den Steuerfolgen der im Rahmen von ICOs/ITOs ausgegebenen Coins/Token mit geldwerten Rechten gegenüber einer Gegenpartei (nachfolgend Anlage-Token) und anderseits mit der Ausgabe von Nutzungs-Token. Der zweite Teil beleuchtet sowohl die Ebene des Investors (Privatvermögen oder ggf. unselbständige Erwerbstätigkeit) als auch diejenige des Emittenten. Auf Wunsch von kantonalen Steuerverwaltungen äussert sich das vorliegende Arbeitspapier auch zu Belangen der ausschliesslich kantonalen Vermögenssteuer.
Eine Leistung gilt im Zeitpunkt des Zuflusses (Vereinnahmung einer Leistung oder des Erwerbs eines festen Rechtsanspruchs auf eine Leistung) als realisiert.
Die steuerliche Gewinnermittlung richtet sich nach der handelsrechtskonformen Erfolgsrechnung (vgl. Art. 58 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer; DBG; SR 642.11), sofern keine steuerrechtlichen Korrekturvorschriften vom handelsrechtlichen Gewinnausweis zu beachten sind (sog. Massgeblichkeitsprinzip). Handelsrechtlich nicht verbuchte Aufwendungen können steuerrechtlich nicht geltend gemacht werden.
Das vorliegende Arbeitspapier ersetzt dessen Ursprungsversion vom 27. August 2019.
Fragen können an folgende E-Mail-Adresse gestellt werden: krypto(at)estv.admin.ch
1 ICO (Initial Coin Offering), ITO (Initial Token Offering) oder auch TGE (Token Generating Event) ist eine weitgehend unregulierte Methode des Crowdfundings, die von Firmen verwendet wird, deren Geschäftsmodell auf Kryptowährungen beziehungsweise Token basiert.
Zahlungs-Token (auch Payment-Token genannt) sind digitale Wertrechte, die in Abhängigkeit ihrer Verbreitung und Infrastruktur zum Einsatz als Zahlungsmittel geeignet sind. Der Emittent hat gegenüber dem Investor keine Verpflichtung zur Leistung einer bestimmten Zahlung oder Erbringung einer Dienstleistung.
2.2.1 Vermögenssteuer
Bei Zahlungs-Token in der Form von reinen digitalen Zahlungsmitteln handelt es sich um einen bewertbaren, beweglichen (handelbaren) und immateriellen Vermögenswert, der steuerrechtlich unter das bewegliche Kapitalvermögen zu subsumieren ist. Zahlungs-Token unterliegen folglich der kantonal geregelten Vermögenssteuer2 und sind am Ende der Steuerperiode zum Verkehrswert3 zu deklarieren. Ist kein aktueller Bewertungskurs ermittelbar, ist der Zahlungs-Token zum ursprünglichen Kaufpreis, umgerechnet in Schweizer Franken, zu deklarieren.
2.2.2 Einkommenssteuer
Das blosse Halten von über Kryptobörsen erworbenen Zahlungs-Token in der Form von reinen digitalen Zahlungsmitteln generiert in aller Regel keine Einkünfte oder Erträge, die der Einkommenssteuer und der Verrechnungssteuer unterliegen4.
Werden einer Arbeitnehmerin bzw. einem Arbeitnehmer Lohnzahlungen oder Gehaltsnebenleistungen in Form von Zahlungs-Token ausgerichtet, handelt es sich um steuerbares Erwerbseinkommen5, welches auf dem Lohnausweis (Ziffer 1 oder Ziffer 3) auszuweisen ist. Als Betrag aufzuführen ist der Wert im Zeitpunkt des Zuflusses (Vereinnahmung einer Leistung oder des Erwerbs eines festen Rechtsanspruchs auf eine Leistung), umgerechnet in Schweizer Franken.
Das Kaufen und Verkaufen von Zahlungs-Token ist steuerlich den Transaktionen mit herkömmlichen Zahlungsmitteln (Währungen) gleichzustellen. Die aus solchen Transaktionen resultierenden Gewinne und Verluste stellen bei natürlichen Personen im Privatvermögen grundsätzlich steuerfreie Kapitalgewinne oder nicht abzugsfähige Kapitalverluste dar6. Je nach Art, Umfang und Finanzierung der Transaktionen liegt keine private Vermögensverwaltung, sondern selbständige Erwerbstätigkeit vor. Im zweiten Fall gelten die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Zahlungs-Token als gewerbsmässig und unterliegen der Einkommenssteuer7. Verluste sind steuerlich abzugsfähig, wenn sie verbucht worden sind.
Beim Schürfen oder Mining von Zahlungs-Token (sogenannte Proof of Work-Methode) werden im weitesten Sinne Zahlungsmittel geschöpft. Der Arbeitsaufwand des Schürfens wird i. d. R. mit Zahlungs-Token entschädigt. Solche Token werden demzufolge nicht über eine Kryptobörse erworben, sondern stellen die Entschädigung für das Schürfen dar. Bei dieser Entschädigung handelt es sich um steuerbares Einkommen8. Sofern die allgemeinen Kriterien einer selbständigen Erwerbstätigkeit erfüllt sind, gelten solche Entschädigungen steuerlich als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit9.
Gleich wie beim Mining (Proof of Work-Methode) können auch beim Staking (Proof of Stake-Methode) neue Token geschaffen werden. Staking bedeutet, dass Token für einen bestimmten Zeitraum zu Sicherungszwecken in einer Proof of Stake-Blockchain aufbewahrt (gesperrt) werden. Für diesen Vorgang erhalten die Validatoren, welche ihre Token zur Verfügung stellen, eine Entschädigung. In der Praxis treten die Validatoren häufig in Form von Staking-Pools auf. Für die den Validatoren zur Verfügung gestellten Token, wird den einzelnen Investoren eine Entschädigung aus dem Staking-Pool ausgerichtet. Diese Entschädigung qualifiziert grundsätzlich als Ertrag aus beweglichem Vermögen (Art. 20 Abs.1 DBG). Als Betrag aufzuführen ist der Wert im Zeitpunkt des Zuflusses (Vereinnahmung einer Leistung oder des Erwerbs eines festen Rechtsanspruchs auf eine Leistung), umgerechnet in Schweizer Franken. Wird das Staking nicht über einen Staking-Pool betrieben, ist zu prüfen, ob bei der natürlichen Person, die als Validator fungiert, eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt. Liegt eine solche vor, so sind diese Entschädigungen als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit (Art. 18 Abs. 1 DBG) steuerbar.
Der Begriff «Airdrop» stammt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie «Abwurf aus der Luft». Es geht dabei letztendlich darum, dass bestimmte Tokens gratis zugeteilt werden. Dabei erhält ein Inhaber einer Kryptowährung weitere Einheiten der Kryptowährung ohne eigenes Zutun. Er muss also nicht für die durch einen Airdrop erhaltene Kryptowährung bezahlen. Die Air-drops unterliegen im Zeitpunkt ihrer Zuteilung im Umfang ihres Verkehrswerts als Ertrag aus beweglichem Vermögen der Einkommenssteuer.
Von den Erträgen des beweglichen Vermögens können die Kosten, die mit der Erzielung des Einkommens in unmittelbarem Zusammenhang stehen und im Rahmen der Bewirtschaftung der Vermögensobjekte erforderlich sind, abgezogen werden (Art. 32 Abs. 1 DBG). Nicht abzugsfähig sind hingegen Transaktionskosten, die in direktem Zusammenhang mit dem Erwerb, der Umschichtung oder dem Verkauf der Vermögensobjekte stehen.
2.2.3 Verrechnungssteuer
Zahlungs-Token in der Form von reinen digitalen Zahlungsmitteln sind keine Steuerobjekte gemäss Art. 4 Abs. 1 VStG. Die Zahlungen sind daher keine der Verrechnungssteuer unterliegenden Erträge wie Zinsen auf Obligationen, Dividenden, Ausschüttungen kollektiver Kapitalanlagen und Zinsen auf Kundenguthaben10. Sie stellen auch keine Gewinne aus Geldspielen, Lotterien und Geschicklichkeitsspielen zur Verkaufsförderung dar11. Die Zahlungen unterliegen folglich nicht der Verrechnungssteuer.
2.2.4 Stempelabgaben
Zahlungs-Token in der Form von reinen digitalen Zahlungsmitteln qualifizieren nicht als steuerbare Urkunden i.S. des Stempelgesetzes und sind infolgedessen weder Gegenstand der Emissionsabgabe12 noch der Umsatzabgabe13.
2 Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14)
3 Die ESTV publiziert die Steuerwerte der verbreitetsten Kryptowährungen in der Kursliste. Für diejenigen Kryptowährungen, für die die ESTV keine Steuerwerte publiziert, kann der Marktwert einer der führenden Handelsplattformen verwendet werden
https://www.ictax.admin.ch/extern/de.html#/ratelist/2021
4 Art. 16 Abs. 1 DBG e contrario und Art. 4 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer (VStG; SR642.21) e contrario
5 Art. 17 Abs. 1 DBG
6 Art. 16 Abs. 3 DBG und Art. 4 Abs. 1 VStG e contrario
7 Art. 18 Abs. 2 DBG / analoge Anwendung der Kriterien gemäss Kreisschreiben Nr. 36 der ESTV betreffend den gewerbsmässigen Wertschriftenhandel vom 27. Juli 2012 [KS Nr. 36]
8 Art. 16 Abs. 1 DBG
9 Art. 18 Abs. 1 DBG
10 Art. 4 Abs. 1 VStG e contrario
11 Art. 6 VStG e contrario
12 Art. 1 Abs. 1 Bst. a. des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG; SR 641.10) e contrario
13 Art. 1 Abs. 1 Bst. b. StG e contrario
Im Gegensatz zu den Zahlungs-Token, verkörpern im Rahmen eines ICOs oder ITOs ausgegebene Anlage-Token geldwerte Rechte gegenüber der Gegenpartei bzw. des Emittenten. Die Rechte bestehen aus einer festen Entschädigung oder aus einer bestimmten, im Voraus festgelegten Partizipation des Investors an einem Referenzwert (beispielsweise einer Erfolgsgrösse) des Unternehmens des Emittenten. Die steuerrechtliche Einordnung eines Anlage-Token hängt massgeblich davon ab, wie das zivilrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Investor und Emittent ausgestaltet ist. Sämtliche vertraglichen Verpflichtungen des Emittenten gegenüber dem Investor sind steuerlich zu beurteilen und für die einzelnen Steuerarten separat zu würdigen.
Die im Markt bislang in Erscheinung getretenen Token mit geldwerten Rechten lassen sich in die folgenden drei Kategorien einteilen:
- Fremdkapital-Token: Diese Token beinhalten die rechtliche oder faktische Verpflichtung des Emittenten zur Rückzahlung des ganzen oder eines wesentlichen Teils der Investition sowie gegebenenfalls zur Leistung einer Zinszahlung.
- Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage14 : Diese Token sehen keine Verpflichtung des Emittenten zur Rückzahlung der Investition vor. Das Anrecht des Investors bezieht sich auf einen verhältnismässigen Anteil an einer bestimmten Grösse des Emittenten (beispielsweise EBIT, Lizenzertrag oder Umsatz) oder auf eine Geldleistung, welche sich an einem bestimmten Verhältnis zum Gewinn und/oder Liquidationsergebnis bemisst.
- Anlage-Token mit Beteiligungsrechten15 : Diese Token stellen Beteiligungsrechte (beispielsweise Aktien und Partizipationsscheine) dar. Der anteilsmässige Anspruch auf Gewinn ist statutarisch geregelt.
Nachfolgend wird die steuerliche Behandlung der drei Token-Kategorien für die Ebenen Emittent und Investor (Privatvermögen) dargestellt. Für die Ebene des Emittenten wird die Annahme getroffen, dass es sich um eine Aktiengesellschaft mit steuerlicher Ansässigkeit in der Schweiz handelt.
14 Unter diesem neuen Begriff werden die bisher verwendeten Begriffe «Eigenkapital»- und «Partizipationstoken» zusammengefasst (vgl. Arbeitspapier Version 1 vom 27. August 2019)
15 Dieser Begriff umfasst nicht nur Aktien, sondern auch Partizipationsscheine mit und ohne Mitgliedschaftsrechte. Im Bericht des Eidgenössischen Finanzdepartementes EFD vom 19. Juni 2020 zu einem allfälligen Anpassungsbedarf des Steuerrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register (DLT/Blockchain) wurde noch der Begriff der «Anlage-Token mit Mitgliedschaftsrechten» verwendet, welcher sich für die Partizipationsscheine als zu eng erwies.
Fremdkapital-Token werden im Rahmen einer kollektiven Mittelbeschaffung vom Emittenten ausgegeben. Sie lauten i.d.R. auf feste Beträge und gewähren Anspruch auf Rückzahlung der gesamten oder eines wesentlichen Teils der Investition und gegebenenfalls auf eine Zinszahlung. Sie dienen dem Gläubiger zum Nachweis, zur Geltendmachung oder zur Übertragung der Forderung.
Fremdkapital-Token sind steuerlich als Forderungspapiere (Obligationen) zu qualifizieren.
Steuerliche Behandlung Ebene Emittent
3.2.1 Gewinnsteuer
Die entgegengenommenen Mittel aus der kollektiven Mittelbeschaffung stellen keinen steuerbaren Ertrag dar und werden in der Bilanz als Fremdkapital ausgewiesen. Allfällige Zinszahlungen an die Investoren sind grundsätzlich geschäftsmässig begründeter Aufwand und somit steuerlich abzugsfähig16.
3.2.2 Verrechnungssteuer
Zinsen in periodischer Form oder in der Form von Einmalentschädigungen auf Obligationen17 unterliegen der Verrechnungssteuer18.
3.2.3 Stempelabgaben
Die Ausgabe von Obligationen19 ist von der Umsatzabgabe ausgenommen20. Der Handel mit Obligationen unterliegt demgegenüber grundsätzlich der Umsatzabgabe21.
Steuerliche Behandlung Ebene Investor
3.2.4 Vermögenssteuer
Bei Fremdkapital-Token handelt es sich um bewegliches Kapitalvermögen, das Gegenstand der kantonalen Vermögenssteuer22 ist. Das Vermögen ist am Ende der Steuerperiode zum Verkehrswert zu deklarieren. Ist kein aktueller Bewertungskurs ermittelbar, ist der Fremdkapital-Token, umgerechnet zum ursprünglichen Kaufpreis in Schweizer Franken zu deklarieren.
3.2.5 Einkommenssteuer
Im Zeitpunkt der Ausgabe der Fremdkapital-Token liegt eine einkommensneutrale Vermögensumschichtung vor. Zinsen in periodischer Form oder in der Form von Einmalentschädigungen (Emissionsdisagio und/oder Rückzahlungsagio als Differenz zwischen Ausgabe- und Rückzahlungswert) auf Obligationen unterliegen im Zeitpunkt der Realisation der Einkommenssteuer23.
Werden einer Arbeitnehmerin bzw. einem Arbeitnehmer Lohnzahlungen oder Gehaltsnebenleistungen in Form von Fremdkapital-Token ausgerichtet, handelt es sich um steuerbares Erwerbseinkommen24, welches auf dem Lohnausweis (Ziffer 1 oder Ziffer 3) auszuweisen ist. Als Betrag aufzuführen ist der Verkehrswert im Zeitpunkt des Zuflusses (Vereinnahmung einer Leistung oder des Erwerbs eines festen Rechtsanspruchs auf eine Leistung), umgerechnet in Schweizer Franken.
Das Kaufen und Verkaufen von Fremdkapital-Token ist steuerlich den Transaktionen mit herkömmlichen Wertschriften gleichzustellen. Die aus solchen Transaktionen resultierenden Gewinne und Verluste stellen bei natürlichen Personen im Privatvermögen grundsätzlich steuerfreie Kapitalgewinne oder nicht abzugsfähige Kapitalverluste dar25. Je nach Art, Umfang und Finanzierung der Transaktionen liegt keine private Vermögensverwaltung, sondern selbständige Erwerbstätigkeit vor. Im zweiten Fall gelten die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Fremdkapital-Token als gewerbsmässig und unterliegen der Einkommenssteuer26. Verluste sind grundsätzlich steuerlich abzugsfähig, wenn sie verbucht worden sind.
3.2.6 Verrechnungssteuer
Zinsen in periodischer Form oder in der Form von Einmalentschädigungen auf Obligationen27 unterliegen der Verrechnungssteuer28.
3.2.7 Stempelabgaben
Der Handel mit Obligationen29 unterliegt grundsätzlich der Umsatzabgabe30, vorliegend zum Satz für inländische Urkunden.
16 Art. 58 Abs. 1 DBG und Art. 24 Abs. 1 StHG
17 Art. 4 Abs. 1 Bst. a VStG i. V. m. Art. 15 Abs. 1 der Verordnung vom 19. Dezember 1966 über die Verrechnungssteuer (VStV; SR 642.211) sowie Kreisschreiben ESTV Nr. 47 der ESTV betreffend Obligationen vom 25. Juli 2019 (KS Nr. 47)
18 Art. 4 Abs. 1 Bst. a VStG i. V. m. Art. 18f. VStV
19 Art. 4 Abs. 3 StG
20 Art. 14 Abs. 1 Bst. a StG
21 Art. 13 Abs. 2 Bst. a Ziff. 1 StG
22 Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 StHG
23 Art. 20 Abs. 1 Bst. a oder b DBG, Art. 7 Abs. 1 StHG
24 Art. 17 Abs. 1 DBG
25 Art. 16 Abs. 3 DBG
26 Art. 18 Abs. 2 DBG / sinngemässe Anwendung der Kriterien gemäss KS Nr. 36
27 Art. 4 Abs. 1 Bst. a VStG i. V. m. Art. 15 Abs. 1 VStV / KS Nr. 47
28 Art. 4 Abs. 1 Bst. a VStG
29 Art. 4 Abs. 3 StG
30 Art. 13 Abs. 2 Bst. a Ziff. 1 StG
Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage werden im Rahmen einer kollektiven Mittelbeschaffung vom Emittenten ausgegeben, ohne dass dabei (digitale) Beteiligungsrechte in der Form von Aktien, Partizipations- oder Genussscheinen begründet oder Obligationen oder Anteile an kollektiven Kapitalanlagen ausgegeben werden. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Emittenten und dem Investor ist ein Vertragsverhältnis, das keinen Rückzahlungsanspruch der Investition vorsieht. Der Investor hat Anrecht auf eine Geldleistung, welche sich auf einen verhältnismässigen Anteil an einer bestimmten Grösse des Emittenten (beispielsweise EBIT, Lizenzertrag oder Umsatz) bezieht oder an einem bestimmten Verhältnis zum Gewinn bemisst. Der Anspruch des Investors auf eine jährliche Zahlung besteht unabhängig davon, ob der Emittent den Aktionären eine Dividende ausschüttet und hängt weder von den aktienrechtlichen Vorschriften über die gesetzlichen Reserven noch von einem Beschluss der Generalversammlung ab.
Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage gelten steuerlich als derivative Finanzinstrumente eigener Art (sui generis).
Steuerliche Behandlung Ebene Emittent
3.3.1 Gewinnsteuer
Wie unter Ziffer 3.3. hiervor ausgeführt, handelt es sich bei der Entgegennahme von Mitteln aus der kollektiven Mittelbeschaffung im Rahmen der Ausgabe von Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage weder um Fremdkapital noch um Eigenkapital. Die zugeflossenen Mittel qualifizieren als steuerbarer Ertrag und sind im Zeitpunkt der Emission in der Erfolgsrechnung als Ertrag auszuweisen. Eine vertragliche Verpflichtung zur Umsetzung eines bestimmten Projekts rechtfertigt die aufwandswirksame Buchung einer Rückstellung. Die entsprechenden Verpflichtungen sind mittels Whitepaper oder sonstigen Verträgen und Businessplänen nachzuweisen. Nicht nachgewiesene Verpflichtungen gelten nicht als geschäftsmässig begründete Aufwendungen (Rückstellung). Die nicht mehr benötigten Rückstellungen sind nach der Go-Live-Phase erfolgswirksam aufzulösen.
Zahlungen aufgrund des Anrechts der Investoren auf eine Geldleistung, welche sich auf einen verhältnismässigen Anteil an einer bestimmten Grösse des Emittenten (beispielsweise EBIT, Lizenzertrag oder Umsatz) bezieht oder an einem bestimmten Verhältnis zum Gewinn bemisst, sind grundsätzlich als geschäftsmässig begründeter Aufwand, und somit steuerlich abzugsfähiger Aufwand31, zu qualifizieren. Dies bedingt jedoch, dass nachgewiesen werden kann, wer die Leistungsempfänger im Zeitpunkt der Ertragsfälligkeit sind. Wird ferner einer oder werden beide unter Ziff. 3.3.2 hiernach erwähnten Schwellenwerte überschritten, bleibt eine Umqualifikation der entsprechenden Zahlungen als verdeckte Gewinnausschüttung vorbehalten.
Alternativ zur oben beschriebenen Verbuchung wird im konkreten Einzelfall und beim Vorliegen von Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage auch die nachfolgend beschriebene Verbuchungsart steuerlich akzeptiert.32 Die Verbuchung der im Rahmen des ICO vereinnahmten Mittel erfolgt in einem ersten Schritt im Konto «Vorauszahlungen ohne Rückerstattungsverpflichtung». Die laufenden Projektentwicklungskosten werden in einem Betriebsaufwandkonto erfasst. Anschliessend werden die Projektentwicklungskosten mit der Buchung «Selbst erarbeite Aktiven an Aktivierte Eigenleistung (Erfolgsrechnung)» aktiviert; dies, sofern die Aktivierungsvorausset-zungen erfüllt sind. Sind die Aktivierungsvoraussetzungen nicht erfüllt, erfolgt direkt eine Sollbuchung über das Konto «Vorauszahlungen ohne Rückerstattungsverpflichtung». In einem zweiten Schritt wird der Saldo des Kontos «selbst erarbeitete Aktiven» mit dem Saldo des Kontos «Vorauszahlung ohne Rückerstattungsverpflichtung» verrechnet. Betreffend die geschäftsmässige Begründetheit des Kontos «Vorauszahlungen ohne Rückerstattungsverpflichtung» werden analoge Voraussetzungen wie an den Nachweis einer Rückstellung gestellt.
3.3.2 Verrechnungssteuer
Erträge aus Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage sind keine Steuerobjekte gemäss Art. 4 Abs. 1 VStG. Die Zahlungen sind daher keine der Verrechnungssteuer unterliegenden Erträge wie Zinsen auf Obligationen, Dividenden, Ausschüttungen kollektiver Kapitalanlagen und Zinsen auf Kundenguthaben33. Sie stellen auch keine Gewinne aus Geldspielen, Lotterien und Geschicklichkeitsspielen zur Verkaufsförderung dar34. Die ESTV behält sich vor, die Verrechnungssteuer zu erheben, sofern zumindest einer der zwei nachfolgenden Schwellenwerte nicht eingehalten wird:
- Die Aktionäre und ihnen nahestehende Personen dürfen im Zeitpunkt der jeweiligen Ertragsfälligkeiten gesamthaft maximal 50% der ausgegebenen Token halten. Mit dieser Einschränkung wird sichergestellt, dass der überwiegende Anteil der Gewinne nicht verrechnungssteuerfrei an Token-Halter fliesst, die gleichzeitig Aktionäre sind.
- Die definierte Gewinnbeteiligungsquote muss im Ergebnis dazu führen, dass die Zahlungen an die Token-Halter 50 % des EBIT nicht übersteigen. Mit dieser Einschränkung wird sichergestellt, dass das unternehmerische Risiko der Eigenkapitalgeber nach Zuweisung der Gewinnbeteiligungsquote an die Token-Halter noch angemessen entschädigt wird.
Die Prüfung des Vorliegens einer allfälligen Steuerumgehung bleibt vorbehalten.
3.3.3 Stempelabgaben
Die Ausgabe von Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage unterliegt nicht der Emissionsabga-be, da keine Beteiligungsrechte gemäss Art. 5 Abs. 1 StG ausgegeben werden. Soweit dem von Beteiligungsinhabern entrichteten Kaufpreis für die Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage ei-ne entsprechende Gegenleistung entgegensteht, liegt auch kein Zuschuss vor35.
Steuerliche Behandlung Ebene Investor
3.3.4 Vermögenssteuer
Bei Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage handelt es sich um bewegliches Kapitalvermögen, das Gegenstand der kantonalen Vermögenssteuer36 ist. Das Vermögen ist am Ende der Steuerperiode zum Verkehrswert zu deklarieren37. Die im Rahmen des Gründungsprozesses abgegebenen Token, sind im Minimum analog der während der Pre-Sale-Phasen ausgegebenen Token an unabhängige Dritte zu bewerten. Ist kein aktueller Bewertungskurs ermittelbar, ist der Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage, umgerechnet zum ursprünglichen Kaufpreis in Schweizer Franken zu deklarieren.
3.3.5 Einkommenssteuer
Im Zeitpunkt der Ausgabe der Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage liegt eine einkommensneutrale Vermögensumschichtung vor. Zahlungen qualifizieren vollumfänglich als Erträge aus beweglichem Kapitalvermögen und unterliegen der Einkommenssteuer. Den Investoren steht kein Recht auf eine steuerneutrale Rückzahlung im Umfang des ursprünglich investierten Betrags zu, da im Liquidationsfall vertraglich keine Rückzahlungsverpflichtung des Emittenten besteht. Entsprechende Verluste stellen steuerlich nicht abzugsfähige Kapitalverluste dar.
Werden einer Arbeitnehmerin bzw. einem Arbeitnehmer Lohnzahlungen oder Gehaltsnebenleistungen in Form von Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage ausgerichtet, handelt es sich um steuerbares Erwerbseinkommen38, welches auf dem Lohnausweis (Ziffer 1 oder Ziffer 3) auszuweisen ist. Als Betrag aufzuführen ist der Wert im Zeitpunkt des Zuflusses (Vereinnahmung einer Leistung oder des Erwerbs eines festen Rechtsanspruchs auf eine Leistung), umgerechnet in Schweizer Franken.
Bei einer echten Mitarbeiterbeteiligung beteiligt sich der Mitarbeitende im Ergebnis am Eigenkapital des Arbeitgebers39. Da der Leistungsaustausch bei Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage auf einem Vertragsverhältnis basiert, stellen diese Token keine Beteiligungsrechte im eigentlichen Sinne dar. Deshalb qualifizieren an Mitarbeitende abgegebene Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage nicht als echte Mitarbeiterbeteiligungen gemäss Artikel 17b Absatz 1 DBG.
Zudem ist ein Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage auch keine unechte Mitarbeiterbeteiligung, d.h. eine Anwartschaft auf eine blosse Bargeldabfindung im Sinne von Artikel 17a Abs. 2 DBG.
Die unentgeltliche Abgabe von Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage an Mitarbeitende stellt im Umfang der Differenz zum Marktwert einen übrigen geldwerten Vorteil im Sinne von Art. 17 Abs. 1 DBG dar.
Das Kaufen und Verkaufen von Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage ist steuerlich den Transaktionen mit herkömmlichen Wertschriften gleichzustellen. Die aus solchen Transaktionen resultierenden Gewinne und Verluste stellen bei natürlichen Personen im Privatvermögen grundsätzlich steuerfreie Kapitalgewinne oder nicht abzugsfähige Kapitalverluste dar40. Je nach Art, Umfang und Finanzierung der Transaktionen liegt keine private Vermögensverwaltung, sondern selbständige Erwerbstätigkeit vor. Im zweiten Fall gelten die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage als gewerbsmässig und unterliegen der Ein-kommenssteuer41. Verluste sind grundsätzlich steuerlich abzugsfähig, wenn sie verbucht worden sind.
3.3.6 Verrechnungssteuer
Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage sind keine Steuerobjekte gemäss Art. 4 Abs. 1 VStG. Die Zahlungen sind daher keine der Verrechnungssteuer unterliegenden Erträge wie Zinsen auf Obligationen, Dividenden, Ausschüttungen kollektiver Kapitalanlagen und Zinsen auf Kundenguthaben42. Sie stellen auch keine Gewinne aus Geldspielen, Lotterien und Geschicklichkeitsspielen zur Verkaufsförderung dar43. Die Zahlungen unterliegen folglich nicht der Verrechnungssteuer.
3.3.7 Stempelabgaben
Sofern Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage keinen Bezug auf steuerbare Urkunden im Sinne des Stempelsteuergesetzes nehmen, unterliegen Sekundärmarkttransaktionen mit diesen Token nicht der Umsatzabgabe.
31 Art. 58 Abs. 1 DBG und Art. 25 StHG
32 Expertsuisse: Ausgewählte Fragen und Antworten zum neuen Rechnungslegungsrecht (mit letzter Änderung vom 30.04.2019), neue Frage 10.3 "Verbuchung von ICOs mit Herausgabe von Asset Token"
33 Art. 4 Abs. 1 VStG e contrario
34 Art. 6 VStG e contrario
35 Art. 5 Abs. 2 Bst. a StG e contrario
36 Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 StHG
37 Art. 14 Abs. 1 StHG
38 Art. 17 Abs. 1 DBG
39 Kreisschreiben Nr. 37 der ESTV vom 30. Oktober 2020 betreffend Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen, Ziff. 2.3.1 (KS Nr. 37)
40 Art. 16 Abs. 3 DBG
41 Art. 18 Abs. 2 DBG / sinngemässe Anwendung der Kriterien gemäss KS Nr. 36
42 Art. 4 Abs. 1 VStG e contrario
43 Art. 6 VStG e contrario
Im Rahmen einer Mittelbeschaffung können Emittenten Aktien bzw. andere Beteiligungspapiere44 in der Form von Anlage-Token mit Beteiligungsrechten ausgeben45. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Emittenten und dem Investor ist gesellschaftsrechtlicher Natur. Die Ansprüche des Investors sind statutarisch geregelt.
Steuerliche Behandlung Ebene Emittent
3.4.1 Gewinnsteuer
Durch die Entgegennahme von Mitteln im Rahmen der Ausgabe von Anlage-Token mit Beteiligungsrechten entsteht kein steuerbarer Gewinn soweit es sich dabei um Kapitaleinlagen46 einschliesslich Aufgelder und Leistungen à-fonds-perdu handelt47.
3.4.2 Verrechnungssteuer
Erträge aus Anlage-Token mit Beteiligungsrechten sind Steuerobjekte der Verrechnungssteuer. Die entsprechenden Zahlungen unterliegen als Dividenden der Verrechnungssteuer48.
3.4.3 Stempelabgaben
Die Ausgabe von Anlage-Token mit Beteiligungsrechten unterliegt der Emissionsabgabe, da Beteiligungsrechte gemäss Art. 5 Abs. 1 Bst. a StG ausgegeben werden49. Soweit dem von Beteiligungsinhabern entrichteten Kaufpreis für die Anlage-Token mit Beteiligungsrechten keine entsprechende Gegenleistung entgegensteht, liegt ein Zuschuss vor50.
Steuerliche Behandlung Ebene Investor
3.4.4 Vermögenssteuer
Bei Anlage-Token mit Beteiligungsrechten handelt es sich um bewegliches Kapitalvermögen, das Gegenstand der kantonalen Vermögenssteuer51 ist. Das Vermögen ist am Ende der Steuerperiode zum Verkehrswert zu bewerten. Ist kein aktueller Bewertungskurs ermittelbar, ist der Anlage-Token zum umgerechneten ursprünglichen Kaufpreis in Schweizer Franken zu deklarieren.
3.4.5 Einkommenssteuer
Im Zeitpunkt der Ausgabe der Anlage-Token mit Beteiligungsrechten liegt eine einkommensneutrale Vermögensumschichtung vor. Dividendenausschüttungen qualifizieren als Erträge aus beweglichem Kapitalvermögen und unterliegen der Einkommenssteuer52,53.
Werden den Arbeitnehmenden Lohnzahlungen oder Gehaltsnebenleistungen in Form von Anlage-Token mit Beteiligungsrechten ausgerichtet, handelt es sich um echte Mitarbeiterbeteiligungen. Diese stellen steuerbares Erwerbseinkommen dar54, welches auf dem Lohnausweis (Ziffer 1 oder Ziffer 3) auszuweisen ist. Als Betrag aufzuführen ist der Wert im Zeitpunkt des Zuflusses (Vereinnahmung einer Leistung oder des Erwerbs eines festen Rechtsanspruchs auf eine Leistung), umgerechnet in Schweizer Franken55.
Das Kaufen und Verkaufen von Anlage-Token mit Beteiligungsrechten ist steuerlich den Transaktionen mit herkömmlichen Wertschriften gleichgestellt. Die aus solchen Transaktionen resultierenden Gewinne und Verluste stellen bei natürlichen Personen im Privatvermögen grundsätzlich steuerfreie Kapitalgewinne oder nicht abzugsfähige Kapitalverluste dar56. Je nach Art, Umfang und Finanzierung der Transaktionen liegt keine private Vermögensverwaltung, sondern selbständige Erwerbstätigkeit vor. Im zweiten Fall gelten die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Anlage-Token mit Beteiligungsrechten als gewerbsmässig und unterliegen der Einkommenssteuer57. Verluste sind steuerlich abzugsfähig, wenn sie verbucht worden sind.
3.4.6 Verrechnungssteuer
Erträge aus Anlage-Token mit Beteiligungsrechten sind Steuerobjekte der Verrechnungssteuer. Die entsprechende Ausschüttung unterliegt als Ertrag aus beweglichem Vermögen (Dividende) der Verrechnungssteuer58.
3.4.7 Stempelabgaben
Die entgeltliche Übertragung von Anlage-Token mit Beteiligungsrechten unterliegt der Umsatzabgabe, sofern Rechtsverhältnisse gemäss Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a Ziffer 2 StG übergehen.
44 Art. 622 Abs. 1 und 1bis des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht; OR)
45 Vgl. insbesondere die neu geschaffene Möglichkeit der Herausgabe von Aktien als Registerwertrechte gestützt auf Art. 622 Abs. 1 i. V. m Art. 973d OR
46 Kreisschreiben Nr. 29b der ESTV vom 23.12.2019 betreffend Kapitaleinlageprinzip (KS Nr. 29b)
47 Art. 60 Bst. a DBG
48 Art. 4 Abs. 1 Bst. b VStG
49 Art. 5 Abs. 1 Bst. a StG
50 Art. 5 Abs. 2 Bst. a StG
51 Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 StHG
52 Art. 20 Abs. 1 Bst. c DBG, Art. 7 Abs. 1 StHG
53 Kreisschreiben Nr. 22a der ESTV vom 31. Januar 2020 betreffend die Teilbesteuerung der Einkünfte im Privat-vermögen (KS Nr. 22a)
54 Art. 17b DBG
55 Vgl. KS 37, Ziff. 6
56 Art. 16 Abs. 3 DBG
57 Art. 18 Abs. 2 DBG / Anwendung der Kriterien gemäss KS Nr. 36
58 Art. 4 Abs. 1 Bst. b VStG
Im Gegensatz zu den Anlage-Token verkörpern im Rahmen eines ICOs oder ITOs ausgegebene Nutzungs-Token (auch Utility-Token genannt) keine geldwerten Rechte in Form einer festen Entschädigung oder einer bestimmten Partizipation am Unternehmenserfolg des Emittenten. Nutzungs-Token gewähren dem Investor das Recht, digitale Dienstleistungen zu nutzen, die zumeist auf einer (dezentralen) Plattform bereitgestellt werden. Solche Dienstleistungen werden i. d. R. mithilfe einer Blockchain-Infrastruktur erbracht, wobei der Anspruch des Investors auf Zugang zur digitalen Nutzung mittels Token auf die spezifische Plattform und Dienstleitung beschränkt ist. Die vom Emittenten vereinnahmten Mittel sind zweckgebunden und folglich zwingend für die Entwicklung der Dienstleistungen einzusetzen. Die Hingabe der Mittel und die damit verbundene Ausgabe der Token räumen dem Investor das Recht auf ein Tätigwerden des Emittenten i. S. der vertraglichen Vereinbarung ein. Ohne den Nutzungs-Token ist der Zugang zur vertraglich zugesicherten Dienstleistung nicht möglich.
Die steuerrechtliche Einordnung eines Nutzungs-Token hängt massgeblich davon ab, wie das zivilrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Investor und Emittent ausgestaltet ist. Sämtliche vertraglichen Verpflichtungen des Emittenten gegenüber dem Investor sind steuerlich zu beurteilen und für die einzelnen Steuerarten separat zu würdigen.
In der Praxis werden Nutzungs-Token meist von Stiftungen ausgegeben. Da in solchen Konstellationen die Steuerfolgen auf Stufe der Investoren mehrheitlich wegfallen, werden nachfolgend auf die Steuerfolgen bei der Ausgabe durch eine Aktiengesellschaft beschrieben. Die steuerliche Behandlung der Nutzungs-Token für die Ebenen Emittent und Investor (Privatvermögen) dargestellt. Für die Ebene des Emittenten wird die Annahme getroffen, dass es sich um eine Aktiengesellschaft mit Ansässigkeit in der Schweiz handelt. Weiter wird davon ausgegangen, dass sich der Emittent lediglich dazu verpflichtet, die vereinnahmten Mittel für die Entwicklung der digitalen Dienstleistung einzusetzen und den Investoren den Zugang zur bzw. die Nutzung der Dienstleistung zu ermöglichen. Darüber hinaus bestehen in der Regel keine weiteren Verpflichtungen des Emittenten gegenüber den Investoren.
Nutzungs-Token werden im Rahmen einer kollektiven Mittelbeschaffung vom Emittenten ausgegeben, ohne dass dabei (digitale) Beteiligungsrechte in der Form von Aktien, Partizipations- oder Genussscheinen begründet oder Obligationen oder Anteile an kollektiven Kapitalanlagen ausgegeben werden. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Emittenten und dem Investor ist ein Vertragsverhältnis, das keinen Rückzahlungsanspruch auf die Investition vorsieht. Der Investor hat lediglich das Recht, eine digitale Dienstleistung zu nutzen, die vom Emittenten entwickelt und bereitgestellt wird.
Nutzungs-Token sind grundsätzlich als Auftragsverhältnis59 zwischen dem Emittenten und dem Investor einzustufen. Der Auftrag besteht darin, dass der Emittent i. S. der vertraglichen Vereinbarung zwischen ihm und den Investoren tätig werden muss.
Steuerliche Behandlung Ebene Emittent
4.2.1 Gewinnsteuer
Wie unter Ziffer 4.2. hiervor ausgeführt, handelt es sich bei der Entgegennahme von Mitteln aus der kollektiven Mittelbeschaffung im Rahmen der Ausgabe von Nutzungs-Token weder um Fremdkapital noch um Eigenkapital. Die zugeflossenen Mittel qualifizieren als steuerbarer Ertrag und sind im Zeitpunkt der Emission in der Erfolgsrechnung als Ertrag auszuweisen. Eine vertragliche Verpflichtung zur Umsetzung eines bestimmten Projekts rechtfertigt die aufwandswirksame Buchung einer Rückstellung. Die entsprechenden Verpflichtungen sind mittels Whitepaper oder sonstigen Verträgen und Businessplänen nachzuweisen. Die nicht mehr benötigten Rückstellun-gen sind nach der Go-Live-Phase erfolgswirksam aufzulösen.
Alternativ zur oben beschriebenen steuerlichen Behandlung resp. Verbuchung kann im konkreten Einzelfall und beim Vorliegen von Nutzungs-Token auch die nachfolgend beschriebene Verbuchungsart steuerlich akzeptiert werden.60 Die zugeflossenen Mittel werden als Verbindlichkeit, respektive Vorauszahlung ohne Rückerstattungsanspruch passiviert. Der Grund für die Passivierung der zugeflossenen Mittel liegt darin, dass im Zeitpunkt des Zahlungseinganges noch keine Realisation erfolgt ist. Diese erfolgt beim Vorliegen eines Auftragsverhältnisses erst im Zeitpunkt des eigentlichen Tätigwerdens.
Am Ende der jeweiligen Steuerperiode wird, im Umfang der aufgelaufenen Kosten inkl. eines allfälligen Gewinnzuschlages, das Konto Vorauszahlung ohne Rückerstattungsanspruch mit der Buchung (Vorauszahlung ohne Rückerstattungsanspruch an Ertrag) anteilig aufgelöst. Dieser Gewinnzuschlag ist unabhängig der gewählten Verbuchungsart auszuweisen.
4.2.2 Verrechnungssteuer
Ansprüche aus vertraglichen Auftragsverhältnissen sind keine Steuerobjekte gemäss Art. 4 Abs. 1 VStG. Das Recht, die digitalen Dienstleistungen zu nutzen, stellt daher keinen der Verrechnungssteuer unterliegenden Ertrag dar61. Es stellt auch keinen Gewinn aus Geldspielen, Lotterien und Geschicklichkeitsspielen zur Verkaufsförderung dar62.
4.2.3 Stempelabgaben
Die Ausgabe von Nutzungs-Token unterliegt nicht der Emissionsabgabe, da keine Beteiligungsrechte gemäss Art. 5 Abs. 1 StG ausgegeben werden. Soweit dem von Beteiligungsinhabern entrichteten Kaufpreis für die Nutzungs-Token eine entsprechende Gegenleistung entgegensteht, liegt auch kein Zuschuss vor63. Nutzungs-Token sind keine steuerbaren Urkunden i. S. des Stempelgesetzes. Ausgabe und Handel unterliegen folglich nicht der Umsatzabgabe64.
Steuerliche Behandlung Ebene Investor
4.2.4 Vermögenssteuer
Nutzungs-Token sind i. d. R. handelbar und weisen folglich einen Marktwert auf. Nutzungs-Token qualifizieren als bewegliches Kapitalvermögen, das Gegenstand der kantonal geregelten Vermögenssteuer ist65 und am Ende der Steuerperiode zum Verkehrswert bewertet wird. Ist kein aktueller Bewertungskurs ermittelbar, ist der Nutzungs-Token zum umgerechneten ursprünglichen Kaufpreis in Schweizer Franken zu deklarieren.
4.2.5 Einkommenssteuer
Im Zeitpunkt der Ausgabe der Nutzungs-Token liegt eine einkommensneutrale Vermögensumschichtung vor. Mangels Zahlungen des Emittenten an die Investoren unterbleiben Einkommenssteuerfolgen66. Den Investoren steht kein Recht auf eine steuerneutrale Rückzahlung im Umfang des ursprünglich investierten Betrags zu, da im Liquidationsfall vertraglich keine Rückzahlungsverpflichtung des Emittenten besteht. Entsprechende Verluste stellen steuerlich nicht abzugsfähige Kapitalverluste dar.
Werden einer Arbeitnehmerin bzw. einem Arbeitnehmer Lohnzahlungen oder Gehaltsnebenleis-tungen in Form von Nutzungs-Token ausgerichtet, handelt es sich um steuerbares Erwerbseinkommen67, welches auf dem Lohnausweis (Ziffer 1 oder Ziffer 3) auszuweisen ist. Als Betrag aufzuführen ist der Wert im Zeitpunkt des Zuflusses (Vereinnahmung einer Leistung oder des Erwerbs eines festen Rechtsanspruchs auf eine Leistung), umgerechnet in Schweizer Franken.
Bei einer echten Mitarbeiterbeteiligung beteiligt sich der Mitarbeitende im Ergebnis am Eigenkapital des Arbeitgebers68. Da der Leistungsaustausch bei Nutzungstoken auf einem Auftragsverhältnis basiert, stellen diese Token keine Beteiligungsrechte im eigentlichen Sinne dar. Deshalb qualifizieren an Mitarbeitende abgegebene Nutzungs-Token nicht als echte Mitarbeiterbeteiligungen gemäss Artikel 17b Absatz 1 DBG.
Zudem ist ein Nutzungs-Token auch keine unechte Mitarbeiterbeteiligung, d. h. eine Anwartschaft auf eine blosse Bargeldabfindung im Sinne von Artikel 17a Abs. 2 DBG.
Die unentgeltliche Abgabe von Nutzungs-Token an Mitarbeitende stellt vielmehr im Umfang des Marktwerts des jeweiligen Nutzungs-Tokens einen übrigen geldwerten Vorteil im Sinne von Art. 17 Abs. 1 DBG dar.
Das Kaufen und Verkaufen von Nutzungs-Token ist steuerlich den Transaktionen mit herkömmlichen Wertschriften gleichzustellen. Die aus solchen Transaktionen resultierenden Gewinne und Verluste stellen bei natürlichen Personen im Privatvermögen grundsätzlich steuerfreie Kapitalgewinne oder nicht abzugsfähige Kapitalverluste dar69. Je nach Art, Umfang und Finanzierung der Transaktionen liegt keine private Vermögensverwaltung, sondern selbständige Erwerbstätigkeit vor. Im zweiten Fall gelten die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Nutzungs-Token als gewerbsmässig und unterliegen der Einkommenssteuer70. Verluste sind steuerlich abzugsfähig, wenn sie verbucht worden sind.
4.2.6 Verrechnungssteuer
Vertragliche Auftragsverhältnisse sind keine Steuerobjekte gemäss Art. 4 Abs. 1 VStG. Das Recht, die digitalen Dienstleistungen zu nutzen, stellt daher keinen der Verrechnungssteuer unterliegenden Ertrag dar71. Es stellt auch keinen Gewinn aus Geldspielen, Lotterien und Geschicklichkeitsspielen zur Verkaufsförderung dar72.
4.2.7 Stempelabgaben
Nutzungs-Token sind keine steuerbaren Urkunden i. S. des Stempelgesetzes. Ausgabe und Handel unterliegen folglich nicht der Umsatzabgabe73.
59 Art. 394 ff. OR
60 Expertsuisse: Ausgewählte Fragen und Antworten zum neuen Rechnungslegungsrecht (mit letzter Änderung vom 30.04.2019), ergänzte Frage 10.2 "Verbuchung von ICOs mit Herausgabe von Utility Token"
61 Art. 4 Abs. 1 a VStG contrario
62 Art. 6 VStG e contrario
63 Art. 5 Abs. 2 Bst. a StG e contrario
64 Art. 13 Abs. 1 und 2 StG e contrario
65 Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 StHG
66 Art. 20 Abs. 1 Bst. a DBG
67 Art. 17 Abs. 1 DBG
68 KS 37, Ziff. 2.3.1
69 Art. 16 Abs. 3 DBG
70 Art. 18 Abs. 2 DBG / sinngemässe Anwendung der Kriterien gemäss KS Nr. 36
71 Art. 4 Abs. 1 a VStG contrario
72 Art. 6 VStG e contrario
73 Art. 13 Abs. 1 und 2 StG e contrario
Dokumentation
Arbeitspapier ─ Kryptowährungen und Initial Coin/Token Offerings (ICO/ITO) als Gegenstand der Vermögens-, Einkommens- und Gewinnsteuer, der Verrechnungssteuer und der Stempelabgaben (PDF, 345 kB, 03.08.2022)ersetzt Ausgabe vom 27. August 2019
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Letzte Änderung 02.10.2024
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